Empowerment in Rheurdt: Keine Zeit, sich zu langweilen

Seit 2017 veranstaltet die Ler(n)ende Euregio Empowerment-Austausche in der Euregio mit dem Ziel, alle Jugendlichen in unserer Grenzregion dabei zu unterstützen, einen adäquaten Platz in der Gesellschaft zu finden. Dadurch können die deutschen und niederländischen Bildungssysteme hinsichtlich ihrer Arbeitsweise und ihrer Erfahrungen voneinander lernen. Gestern startete in Rheurdt (Deutschland) das dreitägige Empowerment-Event für das ROC Aventus und das Berufskolleg Viersen.

Die erste Gruppe, bestehend aus zwölf Schülern der beiden berufsbildenden Schulen, ist soeben in der Jugendherberge angekommen. “Kann ich schon in mein Zimmer? Ich möchte rein, ich muss einfach wissen, wo ich schlafe”, ruft eine niederländische Schülerin mit dem Koffer in der Hand. Sie freue sich schon auf die Veranstaltung, sagt sie. Die deutsche und die niederländische Gruppe haben sich bereits zweimal vorher im Rahmen eines eintägigen Austauschs an jeweils einem der beiden Schulstandorte getroffen. „Für uns ist es das erste Mal, dass wir an diesem Empowerment-Programm des Projekts Ler(n)ende Euregio teilnehmen“, erzählt Sandra Göbbels, Lehrerin am Berufskolleg Viersen. Sie hat die sechs Schüler und Schülerinnen, die mitdurften, vorher sorgfältig ausgewählt. Das erste Mal haben sie sich in Apeldoorn getroffen. Man besuchte Zutphen, spielte Bingo und ging bowlen. „Sie durften damals ihren Buddy aus dem Nachbarland selbst aussuchen.“ Beim zweiten Mal, vor nicht einmal einer Woche, traf man sich in Viersen. Dort ging man klettern, besuchte eine Holzwerkstatt und spielte ein Spiel mit seinem jeweiligen Buddy. „Da lief es mit dem Kontakt schon einfacher“, erzählt Richard Rabelink, Lehrer am ROC Aventus in Apeldoorn. Sandra Göbbels hat ebenfalls festgestellt, dass die Schülerinnen und Schüler schnell die Sprachgrenze überwinden. „Einer meiner Schüler will sich im Englischunterricht nie anstrengen, aber jetzt höre ich ihn mit seinem Buddy Englisch sprechen. Für die meisten ist es das erste Mal, dass sie Niederländer treffen und auswärts übernachten.“ Nicht nur die Schüler und Schülerinnen, sondern auch die Lehrkräfte finden das Übernachten spannend. Zwei Nächte verbringt die Gruppe in der Jugendherberge. „Es bleibt allerdings abzuwarten, wie die Schüler darauf reagieren“, sagen die beiden niederländischen Lehrer zueinander.

Choreografie

Projektleiter Willem van Hees: „Über das Programm ist gut nachgedacht worden. Es läuft schon seit Jahren mit großem Erfolg, weil es gut vorbereitet und begleitet wird. Die eintägigen Austausche stellen eine wichtige Vorbereitung für die dreitägige Veranstaltung in Rheurdt dar. Die drei Tage hier sind prall gefüllt. Man hat keine Zeit, sich zu langweilen. Es gibt Teambuilding-Spiele unter der Leitung der Betreuer der Jugendherberge St. Michaelturm, die Gruppe entwickelt eine Choreografie und macht daraus zusammen mit dem Tanzlehrer Simon Turnwald einen Videoclip. Ein wichtiger Bestandteil ist außerdem die Berufsorientierung. Die Gruppe macht in Workshops Bekanntschaft mit allerlei beruflichen Fertigkeiten, angefangen vom Besticken eines Stofflappens an der Nähmaschine und dem Einpacken von Geschenken bis hin zur Reparatur einer Fahrradlampe. Auf eine Gruppe von zwölf Schülerinnen und Schüler kommen vier Lehrkräfte. Alles ist gut vorbereitet, sicher und gut eingebettet.“

In der Zwischenzeit hat ein Teambuilding-Spiel draußen auf dem Gelände begonnen. Die Buddys verbinden sich abwechselnd die Augen und führen sich gegenseitig an Hindernissen vorbei und darüber hinweg. Es wird viel gelacht. Ein deutscher Schüler gibt seine Jacke einem niederländischen Kollegen, der nur ein T-Shirt anhat und zittert. „Er hat sie mir einfach so gegeben“, hört man ihn erfreut ausrufen. „Anfangs glauben sie, dass es ein Problem ist, wenn man die Sprache des anderen nicht beherrscht, aber schon während der eintägigen Austausche stellen sie fest, dass es gar nicht so schlimm ist. Mit Gebärdensprache kommt man ziemlich weit“, sagt Sandra Göbbels.

Ein Tag im Unternehmen

In den kommenden zwei Wochen, vom 3. bis zum 14. Februar, finden in der Jugendherberge St. Michaelturm in Rheurdt insgesamt vier dreitägige Empowerment-Austausche mit sieben berufsbildenden Schulen statt. In den zurückliegenden fünf Jahren hat die Ler(n)ende Euregio neun Empowerment-Tandems veranstaltet, an denen insgesamt 180 Schülerinnen und Schüler niederländischer Ausbildungsvorbereitungsprogramme (Entreeopleidingen) und entsprechender deutscher Qualifizierungsprogramme teilgenommen haben (u.a. Internationale Förder Klasse und Berufsvorbereitung). In diesem Jahr beteiligen sich an den Maßnahmen drei sog. Regionale Ausbildungszentren aus den Niederlanden – das ROC Aventus aus Apeldoorn, das ROC Rijn IJssel aus Arnheim und das Koning Willem I aus Den Bosch – zusammen mit vier deutschen Berufskollegs: dem Berufskolleg Viersen, dem Berufskolleg Ostvest aus Datteln, dem Berufskolleg Rheydt-Mülfort für Technik und dem Mercator Berufskolleg Moers.

Erstmals veranstaltet die Ler(n)ende Euregio im Rahmen des Empowerment-Programms auch einen Empowerment-Tag mit Unternehmen. Die Schülerinnen und Schüler werden am 3. März in Kalkar Speed-Datings mit Betrieben absolvieren, um so ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.